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Inschriften und Schriften auf Ikonen
Keine Ikone ist ohne Text. Zu Zeiten der Entstehung und Ausbreitung des christlichen Glaubens im Byzantinischen Reiches (ab 330 n. Chr.) bestand der größte Teil der Menschen aus Analphabeten. Bildung war nur wenigen zugänglich und neben dem Hofe nur in den Klöstern und anderen spirituellen Vereinigungen anzutreffen. Auch aus diesem Grund wurde der christliche Inhalt des Evangeliums auf Holztafeln gemalt. Jeder darauf abgebildete Heilige, Märtyrer oder Evangelist besaß, neben seinem geschriebenen Namen eigene optische Kennzeichen, die unverändert über Jahrhunderte eingehalten wurden und auch heute noch ihre Gültigkeit besitzen. Das Wissen darüber wurde von Ikonenmaler zu Ikonenmaler weitergegeben. Ikonenmaler aus damaligen Zeiten waren Bischöfe oder die in Klöstern lebenden Mönche. Sie entwickelten die Symbolik der Ikonen und stellten die Regeln für die hohen Feiertage und Feste der christlichen Lehre zusammen.
Welche Bedeutung hat die Schrift auf Ikonen? Was sagen Titel, Texte, Motivtypen über eine Ikone aus? Unterschreiben Ikonenmaler ihre Arbeiten? Warum setzen sie einen Ausdruck vor ihren Namenszug? Für die Ungeduldigen: Das Synonym „dia xeiros“ drückt aus „durch die Hand von…“ und weist auf die in Demut geschaffene Arbeit des Malers hin. Eine Ikonenmalerei mit Gottes freundlicher Kooperation, sozusagen. Doch erlauben Sie mir, etwas weiter auszuholen: Das Evangelium, unsere Bibel, wurde zunächst in altgriechisch verfaßt, welches die gemeinsame Sprache des damals neuen Byzantinischen Reiches war. Der westliche Teil des Byzantinischen Reiches sprach zudem Latein, doch überwog auch hier das Altgriechisch. Daher entstammen die meisten Inschriften von Ikonen der griechischen Sprache. Diese Vorliebe reicht bis in unsere Tage hinein, obwohl es auch früher schon möglich war, Namen und Festtage in der jeweiligen Landessprache der Mitgliedsstaaten des Byzantinischen Reiches zu verfassen. Näheres dazu... Nach der Eroberung Byzanz durch die Türken 1453 vermischte sich der langsam wachsende westliche Einfluss mit der östlichen Ikonenmalerei erneut und auf sehr fruchtbare Weise. Viele aus Konstantinopel vertriebene Ikonenmaler errichteten auf der griechischen Insel Kreta ihre Malerwerkstätten. Für die nächsten 200 Jahre entstand so auf Kreta ein neues Zentrum der Ikonenmalerei, da Kreta erst über 200 Jahre später, im Jahre 1669 von den Türken eingenommen werden sollte. Ikonenmaler des westlichen Byzantinischen Reiches trafen auf Kreta mit Ikonenmalern des östlichen Bzyantinischen Reiches zusammen und befruchteten ihre Arbeiten gegenseitig. So beobachtete man ab dem 15. Jahrhundert vermehrt lateinische Inschriften auf byzantinischen und den sogenannten nachbyzantinischen Ikonen, deren typischer Malstil sich noch bis in das frühe 18. Jhd. erhalten hat. Bis zum 15. Jahrhundert war es nicht üblich, dass ein Ikonenmaler seine Unterschrift auf die Ikone aufbrachte. Ikonen wurden in großer Demut gemalt und allein das Werk zählte, nicht der Maler. Jedoch gab es viele Ikonen, auf denen die Familienwappen der Spender und Inschriften wie “Aus großer Dankbarkeit von...” vermerkt waren und sogar der Spender als kleine betende Figur abgebildet wurde. Als damals jedoch hervorragende Maler populär wurden und die Auftraggeber anfingen, sich auch mit dem Namen der Maler schmücken zu wollen, begannen die ersten Maler, ihre Initialen oder vollständig ausgeschriebene Namen auf ihre Ikonen zu schreiben, setzten jedoch stets ein XEIP (griechisch: xeir ) vor ihren Namenszug. Der Sinn: xeip (gesprochen: chir) bedeutet, durch die Hand des... (gemalt). Auf diese Weise konnten sie ihre Demut bewahren und doch zu ihrer Arbeit stehen. Heute werden Ikonen generell von ihren Malern und Ikonenmalerinnen unterschrieben. Da dieses Kürzel noch heute üblich ist, und benutze ich es ebenso. Einst war es auch nicht üblich, dass ein einziger Mensch eine Ikone malte. Im Zuge der großen Ikonen-Nachfrage, besonders nach der Zeit der Bilderstürmer, in der fast alle Ikonen (726 - 843) zerstört wurden, entstanden viele Werkstätten, in denen Ikonen in Arbeitsteilung entstanden. Dabei übernahmen die Malermönche und -.bischöfe nur die Feinheiten, malten schwierige Details (wie das Inkarnat und die Lichter) und übten eine Kontrollfunktion aus. Alle anderen Arbeiten wurden, je nach Fähigkeiten, unter den Mitarbeitern aufgeteilt. Vielleicht auch ein Grund, warum frühere Ikonenmalerei keine Unterschrift aufweist.
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