Um der Ikone auch im Format einen harmonischen Ausdruck zu geben, verlängerte ich die Malerei ein wenig nach unten hin. Die Flügel des Engels sind auf dem Original kaum auszumachen, und daher wählte ich eine dezente Farbe, welche sich vom fast schwarzen Hintergrund nur wenig unterscheidet. Die glänzenden Goldlinien geben den Flügeln schon genug Form und Kontur.
Am auffälligsten ist der leicht angewinkelte Kopf des Engels und sein milder, zur Seite geneigter Blick. Dies galt es auf jeden Fall zu erhalten. Da die Haare auf dem Original kaum erhalten sind und auf dem Foto keine Locken oder Wellen auszumachen sind, habe ich seine Haarpracht dezent gehalten und mich am Stil kretischer Wandmalereien orientiert. Eine Abbildung von soviel Schlichtheit, klar und reduziert, wird gern durch einige gezielt aufgesetzte Details lebendig gehalten. Daher erhielt der Engel zwei transparente Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht fallen und auf diese Weise dem Gesicht seine eigene Note geben. Herausgekommen ist ein wunderschöner kraftvoller, aber mild dreinblickender Engel in seinen ursprünglich strahlenden Farben, welcher jetzt nur noch ein paar Monate trocknen muss, bis er einen Schlussfirnis erhalten kann und auf dem Weg geschickt wird, in sein neues Zuhause.
Diese Arbeit wurde auf einer Holztafel 18x23 cm gefertigt. Der Kreidegrund wurde, um dem sehr verschlissenen Zustand des Originals atmosphärisch nachzufühlen (jedoch ohne die im Original aufgetretenen Qualitätsverluste aufzunehmen), nachträglich leicht gebrochen. Dies ist hier auf dem Foto wohl kaum zu erkennen, aber wenn die Ikone später im Raum hängen wird, werden durch die unterschiedlichen Lichtbedingungen leichte Risse zu erahnen sein.
Nach dem Firnissen wird eine solche Anfertigung dann hunderte von Jahren haltbar sein und ihrerseits einen langen Weg durch die Jahrhunderte zurücklegen, bis sie vielleicht wieder einmal von einem Liebhaber gefunden wird, und ihr wiederum ein einfühlsamer Ikonenmaler ein neues Duplikat anfertigen wird. Ein schöner Gedanke, oder?
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