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Im Anschluss an die Auswahl der Tafel wird mit erwärmtem Knochenleim ein Leinentuch aufgeleimt, das eventuelle Holzrisse auffängt und außerdem die Verbindung zwischen Holz und Kreidegrund bildet. Eine hohe Qualität der Kreide ist für die Polimentvergoldung wesentlich, und darum verwende ich Kreide aus Italien, der durch eine spezielle Behandlung das Wasser entzogen wurde. Oftmals über 33 solcher Kreideschichten werden nac und nach mit einem Borstenpinsel aufgetragen und nach der Trocknung mit Sandpapier (Körnung 100 bis 600) geschliffen, bis eine absolut glatte Oberfläche entstanden ist.
Nun wird die Zeichnung auf den Kreidegrund übertragen und mit einer feinen Nadel eingeritzt, damit die Umrisse auch nach den ersten Farbaufträgen (eine Ikone besteht aus sehr vielen übereinander liegenden Farbschichten) noch erkennen kann. Industriell hergestellte Ikonen haben diese Gravuren nicht und sind anhand dieses Merkmals leicht zu unterscheiden.
Anschließend wird die Grundierung für die Polimentvergoldung aufgetragen, der so genannte Bolos. Damit ist eine Art superfeiner Ton (vorwiegend aus Armenien) gemeint, der für die Haftung des Blattgoldes auf der Tafel sorgt. Dieser Bolos wird mit Eiklar und/oder Knochenleim angerührt, wobei es hier auf viel Erfahrung ankommt, um eine, an massives Gold erinnernde Vergoldung zu erzeugen. Nach der Trocknung des Bolos wird die Oberfläche gereinigt und mit einem Achatstein poliert.
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Im Anschluss daran wird das Blattgold (23,75 Karat, doppelte Stärke) mit einem speziellen breiten Pinsel (der Anschiesser) und einer mit einem Pinsel aufgetragenen Netze aus Alkohol angeschossen. Ist diese fast getrocknet, wird das Gold mit einem weiteren Achatstein vorsichtig poliert. Dazu ist viel Erfahrung nötig, denn dieser Vorgang steht immer in Abhängigkeit zu der zuvor mit natürlichen Produkten erfolgten Tafelgrundierung, die folglich einer gewissen Schwankung in Stärke und Dichte unterliegen. Temperatur und Luftfeuchtigkeit beeinflussen den Zeitpunkt für die Politur ebenfalls. Die Ikonen alter Meister und Schulen sind ausschließlich mit Poliment vergoldet. Die ersten Polimentvergoldungen wurden bei den Fayum Malereien der Ägypter (Mumienbilder) gefunden und stammen aus der Zeit um 3000 vor Christi. Seither hat sich an der Verarbeitungsweise der Polimentvergoldung kaum etwas geändert. Viele moderne Ikonenmaler greifen aufgrund der viel Erfahrung voraussetzende Polimentvergoldung lieber auf das sogenannte Sturmgold auch Ölvergoldung genannt zurück. Hierbei handelt es sich ebenfalls um - je nach Qualität, von 22 bis zu 24 Karat - Gold, welches jedoch auf Transport-Papier aufgedampft wurde um auf die Ikone aufgeklebt werden zu können. Diese einfache Art der Vergoldung erzeugt eine eher matte Oberfläche und ist später, bei eventueller Beschädigung oder Reinigung der Ikone, nicht mehr zu restaurieren. Es gibt inzwischen auch industriell hergestellte Polimentvergoldungen, die jedoch aufgrund ihrer Homogenität leblos und technisch wirken.
In Ausnahmefällen, je nach Geschmack oder auf Wunsch bearbeite ich auch Hintergründe aus Silber, Bronze, Sturmgold oder schlichter, reiner Farbe (zumeist Ocker oder Schwarzblau).
Zur Ausarbeitung des dargestellten Themas der Ikone verwende ich Farbpigmente natürlichen Ursprungs, die in Eigelb gelöst werden (Eitempera). Die reiche Farbskala entsteht aus nur vier Farben (Rot, Ocker, Krapplack und Zinnober), die mit Schwarz und Weiß abgedunkelt bzw. aufgehellt werden und womit so gut wie alle historischen Farbtöne erzeugt werden können. Daraus entstehen homogene, warme Farbkompositionen, welche die Farben der alten Meister am treffendsten widerzuspiegeln vermögen. Feine Goldlinien werden mit sehr feinem Pinsel ausgearbeitet.
In sehr wenigen Fällen (dort wo auch früher echtes Blau verwendet wurde, zumeist kostbares geriebenes Lapislatsuli) benutze ich ebenfalls blaue Pigmente. Blau war früher sehr sehr teuer (geriebenes Lapislatsuli) und nur schwer erhältlich, weswegen es nur selten verwendet wurde. Überdies lässt sich Blau auch mit den oben genannten Farben durch geschicktes Mischen erzeugen.
Die Farben einer Ikone bauen sich immer vom Dunkel ins Licht auf. Angefangen wird mit dem Anlegen der Grundfarbe, die bei schwer deckenden Farben wie Ocker teils in mehr als drei Schichten aufgetragen wird. Dann werden feine Linienführungen dunkler hervorgehoben und einige Flächenränder zur Verstärkung von Kontrasten dunkel lasiert. Danach werden drei Farbtöne, die sogenannten “Lichter” gemalt. Das kann mit deutlichen Farbabgrenzungen von Licht zu Licht geschehen (z.B. bei der Kleidung) oder auch in feinen Abstufungen und fließend (besonders auf der Haut, dem so genannten Inkarnat). Einige Farbgestaltungen erhalten nach dem Anlegen der Lichter noch eine transparente Lasur mit verschiedenen Tönen von Krapplack, um die Farbtiefe noch intensiver zu verstärken. Bisweilen ersetzen feine Goldlinien auf Kleidung (Christus Umhang) oder Möbeln (dem Thron) die Lichter. So wird deutlich, dass jede einzelne, ausgearbeitete Farbfläche einer nach alter Tradition in Handarbeit gefertigte Ikone aus sehr vielen Farbaufträgen besteht.
Zuletzt werden Heiligenscheine und der Name der/des Heiligen auf die Tafel aufgeschrieben. Bei der Ausarbeitung der Heiligenscheine gibt es mehrere Varianten, je nach Geschmack und Geldbeutel. Meist werden sie mit einer gleichmäßig dünnen, roten Linie kreisförmig um die Häupter erzeugt, doch es lassen sich auch wunderschöne Gravuren mit Prägestiften anlegen. Letzteres ist aufwendiger und es muss dabei sehr genau gearbeitet werden, da nachträgliche Korrekturen nicht mehr möglich sind. Gravuren sind zudem ausschließlich auf doppelter Polimentvergoldung möglich
Zum Abschluss der Arbeit unterzeichnet der Ikonen-Maler die Ikone unauffällig mit seinem Namen und Datum in akkuraten Buchstaben, also keine persönlichen Schnörkel a la daVinci.
Nach der Fertigstellung müssen die in Eigelb gelösten Pigmente einige Zeit trocknen und aushärten (in Abhängigkeit zur Temperatur und Luftfeuchte), bevor das so genannte Verniki, ein für Ikonen aus natürlichen Rohstoffen entwickelter Versiegelungslack, aufgetragen werden kann. Dieser Lack schützt die Malerei, sodass Sie Ihre Ikone sorglos anfassen, sie hin.- und hertragen, verehren und küssen können (wie es in der Ostkirche durchaus üblich ist). Doch bitte tun Sie letzteres ohne Lippenstift, da sich die Farben dieser fetthaltigen Stifte sehr schnell “einbrennen” und dann schwer zu entfernen sind. Es ist immer wieder ein ganz besonderes und schönes Erlebnis, eine Ikone zu berühren, ihr Gewicht zu spüren und sich auch von ihr berühren zu lassen.
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